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2011

[presse]

Martin Kussmann betreut mehrere Handball-Schlussmänner

im Februar 2011
11. Februar 2011
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Der Polizist, dem die Torhüter vertrauen

Von Mathias Deppisch

An einem Sonntagabend steht das Handy bei Martin Kussmann selten still. Zahlreiche Anrufe seiner Schützlinge erreichen ihn. Handball-Torhüter geben Rückmeldung über ihre Leistungen vom Wochenende. Kussmann ist bei keinem Verein fest angestellt, sondern der private Coach einer ganzen Reihe von Torhütern - einige von ihnen sind in der 1. oder 2. Bundesliga aktiv.

Torhüter Martin Ziemer (rechts) setzt auf die Dienste von Martin Kussmann (links); Rechte: Deppich/dpa
Torhüter Martin Ziemer (r.) setzt auf die Dienste von Martin Kussmann (l.).

Kussmann, hauptberuflich Polizeibeamter in Minden, betreut Profisportler, die im Haifischbecken Bundesliga Konkurrenten sind und um die wenigen begehrten Plätze zwischen den Pfosten kämpfen. "Gerade deswegen kommen viele Torhüter zu mir. Sie wollen sich verbessern und weiterentwickeln", glaubt Kussmann.

Er trainiert mit seinen Schützlingen zusätzlich zu den Einheiten, die diese bei ihren Vereinen bestreiten. Und das können in der Bundesliga durchaus sechs bis sieben sein. Trotzdem bucht beispielsweise Martin Ziemer, der vergangene Woche vom Erstligisten HSG Ahlen/Hamm zur HBW Balingen-Weilstetten gewechselt ist, zusätzliche Übungseinheiten bei Kussmann. "Ein individuelles Training ist heutzutage unabdingbar. Das gilt für nahezu alle Spitzensportler", so Ziemer.

Dabei hatte er bei der HSG Ahlen/Hamm die volle Unterstützung seines Trainers Kay Rothenpieler: "Ich habe überhaupt kein Problem damit. Im Gegenteil: Wenn einzelne Spieler besser werden, profitieren wir als Mannschaft davon. Zu Martin Ziemers sehr guten Entwicklung hat Martin Kussmann einiges beigetragen."

"Torhüter kommen oft zu kurz"

Trainer Kay Rothenpieler; Rechte: imago

Bundesliga-Coach Kay Rothenpieler hat kein Problem mit dem Privat-Training.

Rothenpieler geht es wie vielen Cheftrainern in der Handball-Bundesliga: Sie kümmern sich in erster Linie um taktische Feinheiten für den Angriff und studieren Abwehrformationen ein. "Da kommen die Torhüter oft zu kurz", räumt Rothenpieler ein.

Martin Kussmann hingegen arbeitet individuell und ausschließlich mit Torhütern. Nachdem er bis 2003 als Mannschaftstrainer in der Verbandsliga beschäftigt war, entschloss sich Kussmann, sich als Torwarttrainer zu spezialisieren. "Ich habe von der 1. Liga bis zur Kreisklasse viele Gespräche geführt. Die einhellige Meinung der Torhüter war, dass sie sich im normalen Mannschaftstraining nicht genügend gefördert fühlten." Diesem Umstand wollte Kussmann entgegentreten und bot seine Dienste in der Handballhochburg Minden und Lübbecke an.

Hausieren gehen muss der 49-jährige mittlerweile nicht mehr. Viele gute Torhüter suchen selbständig den Kontakt zu Kussmann. So gehören neben Ziemer u.a. auch dessen Ex-Mannschaftskollege Tomáš Mrkva (Kussmann: "Eines der größten Torwart-Talente in Europa"), Dario Quentstedt vom SC Magdeburg (1. Bundesliga), der aktuelle deutsche Junioren-Nationaltorwart Nils Dressrüsse von GWD Minden und Oliver Mayer (TV Korschenbroich, 2. Bundesliga) zu seinen Klienten. Darüber hinaus trainiert Kussmann noch Torsteher aus der 3. Liga (GWD Minden II und LIT Nordhemmern/Mindenerwald) sowie einige talentierte Jugendtorwarte aus dem Kreis Minden-Lübbecke.

Und was macht das Training von Kussmann so besonders? "Er achtet auf Kleinigkeiten und korrigiert selbst den kleinsten Fehler im Bewegungsablauf. Viele der Torwarttrainer, die ich bislang hatte, haben dafür überhaupt kein Auge. Ich lerne wirklich bei jeder Einheit etwas", berichtet Oliver Mayer, der über sieben Jahre Zweitliga-Erfahrung verfügt.

Roter Faden

Wichtig für die Keeper ist es, dass sie Trainingserfolge auch mit in den Wettkampf nehmen können. "Ich liefere den roten Faden, der es den Torhütern ermöglicht, sich selbst zu überprüfen und zu kontrollieren", so Kussmann, der den Großteil seiner Übungen selbst kreiert hat. Überdies führt er intensive Gespräche mit seinen Schützlingen. "Ein Torwart muss mental stark sein. Es kommt in der Regel viel schneller Kritik an seinen Leistungen auf, Lob ist selten und nur bei Ausnahmeleistungen der Fall."

Erstligatorwart Martin Ziemer hat unter der Ägide von Kussmann einen unübersehbaren Leistungssprung vollzogen hat. "‘Kussi‘ ist der erste Torwarttrainer, mit dem ich systematisch arbeite. Sein Training verbindet alle Elemente, die ich für den Wettkampf brauche: Kraft, Technik und Konzentration. Ob Training oder Wettkampf - ich vergegenwärtige mir seine Tipps ständig. Das hilft mir ungemein", so die Erklärung Ziemers, der anfangs die Finanzierung für Training und Anfahrt sogar selbst trug. Später übernahm die HSG Ahlen/Hamm die Finanzierung. Trainer Kay Rothenpieler meint: "Dass in gewissen Bereichen mit Spezialisten gearbeitet wird, ist ja ein genereller Trend. Aber es ist auch eine Frage des Budgets." Bei einem Zweitligisten wie dem TV Korschenbroich ist das nicht realisierbar. "Dafür haben wir leider kein Geld", so Oliver Mayer, der an freien Tagen auf eigene Kosten nach Minden fährt und dort trainiert.

Torhüter Oliver Mayer; Rechte: imago

Oliver Mayer (TV Korschenbroich): "Lerne bei jeder Einheit etwas".

Geeignetes Personal für den Job des Torwarttrainers ist rar, wie die ehrlichen Worte von Kay Rothenpieler verdeutlichen, der als ehemaliger Nationalspieler und A-Lizenz Inhaber als überaus profunder Kenner seines Sports anzusehen ist: "Wenn man selbst nie im Tor stand, ist es schwierig, auf Topniveau Torhütern etwas beizubringen. Man hat zwar vielleicht das theoretische Wissen, mehr aber auch nicht."

Das ist bei Kussmann anders: Er stand einst selbst zwischen den Pfosten und hütete das Tor von GWD Minden. Mehr als Einsätze in der Regionalliga und 2. Bundesliga hat er aber nicht geschafft. Kussmann schmunzelt: "Vielleicht wäre mit einem guten Torwarttrainer mehr drin gewesen."

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